In den Minen der Utopie Nicole Eisenman in der Galerie Barbara Weiss, Berlin
Im Eingangsbereich der Galerie wurden so auf einer grünen Wand eine Reihe männlicher Brustbildnisse - unter ihnen auch der Schädel des bereits erwähnten Skelettes - präsentiert, in die Eisenman teilweise Aufkleber mit Aufschriften wie "How is my painting?" oder "Call 1-800-Eat Shit" eingefügt hatte. Diese schienen sowohl das Dargestellte als auch ihren expressiv malerischen Gestus zu kommentieren und konnten als Ironisierung eines machistisch-genialistischen Künstlerselbstbildes gelesen werden. Da sie von Momenten der Verwesung in verschiedenen Zersetzungsstadien durchzogen waren, stellten die Bildnisse darüber hinaus aber auch das dieser künstlerischen Selbstkonstruktion zugrunde liegende ungebrochene Subjektverständnis infrage. Waren die feministisch-kritischen Angriffe in Eisenmans früheren Arbeiten eher von direkter, aggressiv-provozierender Sprache gekennzeichnet, so wiesen ihre Arbeiten nun eine satirisch-karikierende Distanz auf oder besaßen utopischen Charakter. Ihre subkulturellen Kodierungen wurden zugunsten einer Hinwendung zu klassischen Bildsujets wie Porträt-, Genre- und Landschaftsmale- rei ausgetauscht. Auch spielte Eisenman nun auf kunsthistorisch kanonisierte Künstler wie Otto Dix, Breughel und Bosch an. Hierin wurde ein Wechsel in der Vorgehensweise sichtbar, der sich wohl auch dem veränderten Selbstverständnis von Teilen der Frauenbewegung verdankt, die sich von den herausfordernden Strategien der Riot-Girl-Bewegung, zu der Eisenman Mitte der neunziger Jahre zählte, entfernt haben, um sich Selbstverwirklichungsvorstellungen oder subtileren Methoden von Kritik zuzuwenden. Diese Neuausrichtung schien auch in den großformatigen Gemälden, "Mining I" und "Mining II" zum Tragen zu kommen, die neben dem Aqua-rellzyklus den Hauptraum der Galerie bestimmten und wie eine krude Mischung aus idealisierter Landschaftsmalerei, sozialistischem Realismus und Comicstrip wirkten, gespickt mit Arbeits- und Bewegungsstudien sowie allegorischen oder verklärt paradiesischen Szenen. In ihnen sorgten vornehmlich nackte weibliche Figuren für ein merkwürdiges, surreal anmutendes Bild einer imaginierten matriarchalischen Gemeinschaft, das an Fellinis "Stadt der Frauen" oder den Mythos der Lysistrata erinnerte. Auf einem Baum, unter dem eine Gruppe aus einem toten Fisch las, saß beispielsweise eine Eule - das Weisheitssymbol der Pallas Athene -, wogegen an anderer Stelle Badende oder mit einer Harpune bewaffnete Fischerinnen zugange waren. Die Bilder waren mithin von einer Simultanität unterschiedlicher Realitätsebenen gekennzeichnet - grellbunte Farbe wurde in einer Erzmine abgebaut, um aus ihr die Welt weiterzumalen, der die Figuren angehörten - eine Lesart, die durch Eisenmans differenzierten Umgang mit der Materialität von Farbe und den daraus resultierenden Effekten unterstützt wurde. Zum einen ging Eisenman grafisch vor, indem sie die Umrisse der Figuren und Gegenstände zeichnete, um sie anschließend zum Teil als Studien stehen zu lassen und nicht farblich auszufüllen; zum anderen gestaltete sie Bildpartien jedoch lasierend, wobei der Bereich des zutage geförderten Rohstoffes wiederum eine reliefartige Oberfläche hatte und die Farbe dadurch auf sich selbst verwies. Diese Negation der Differenz zwischen Abbild und Abgebildetem verwies auch auf Eisenmans frühere Installationen, die vornehmlich aus der Kombination von Zeichnungen, Aquarellen, Wandbildern, Skulpturen und Gemälden bestanden. Denn obgleich sich ihre Arbeiten seit Mitte der neunziger Jahre nach und nach von der Dreidimensionalität entfernt und ins traditionelle Tafelbild zurückgezogen haben - eine Bewegung, die die Geschichte der einstigen Erweiterung der Malerei rückwärts zu erzählen schien -, wiesen die in Berlin gezeigten Arbeiten dennoch Momente auf, in denen der Illusionsraum der Malerei durch das in ihm eingesetzte Material in den Ausstellungsraum expandierte und auf einer weiteren Ebene auf sich selbst verwies. Obwohl die Ausstellung die Arbeiten Eisenmans eher in einzelnen Blöcken präsentierte, als darum bemüht war, ein zusammenhängendes Bild zu erzeugen, schien sich trotz dieser Heterogenität eine gemeinsame Stoßrichtung anzudeuten, die sich jedoch über die ausgelegte Fährte des "Feminismus" hinaus nicht so recht formieren wollte. Vielmehr interessierte daher die Verstrickung inhaltlicher Implikationen mit formalen Erwägungen. Eisenman imitierte in den Bildnissen einen auf den abstrakten Expressionismus weisenden und damit vornehmlich männlich besetzten malerischen Gestus wohl auch, um ihn in einer zweiten Setzung konterkarieren zu können. Ebenso überlagerten sich durch den Gebrauch verschiedener Vorgehensweisen in den zwei großformatigen Gemälden nicht nur unterschiedliche Realitätsebenen, die einen Kreislauf des Skizzierens, Abbauens von Rohstoff und Schaffens der eigenen Welt zeigten, sondern es wurde darüber hinaus auch an einer über das Bild hinausweisenden Vision - der Utopie des Matriarchats - gearbeitet.
Nicole Eisenman, "A Show Called Nowhere", Galerie Barbara Weiss, Berlin, 6. Mai bis 25. Juni 2005.