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Vorwort

Feminismus! Das ist ein Thema, dem wir uns von Beginn an mit zahlreichen Ausgaben und Beiträgen gewidmet haben. So galten und gelten den Autorinnen und Autoren von Texte zur Kunst Fragen zur Rolle von Frauen im Kunstbetrieb sowie zu Auseinandersetzungen mit feministischen Theorien oder zu den Konzepten der Gender und Queer Studies als immer wiederkehrende Bezugspunkte für die Analyse gesellschafts- und kunstpolitischer Zusammenhänge. Gleichwohl ist es natürlich kein Zufall, dass wir uns gerade jetzt konzentriert diesem Thema zuwenden. Augenscheinlich befindet sich die mit diesem Begriff assoziierte Bewegung an einem prekären Punkt in ihrer Geschichte (vgl. hierzu unsere Umfrage). Auf der einen Seite steht die Behauptung, dass sich die Forderungen des Feminismus durch die Etablierung von Gender-Mainstreaming-Programmen und durch die Institutionalisierung der Gender Studies an den Universitäten weitgehend erfüllt haben. Noch nie war die Stimmung so „postfeministisch“ oder „postgender“ wie heute. Indes ist andererseits dieser Zeitgeist auch das Symptom einer sich selbst als „postideologisch“ gerierenden Ideologie, nach der es keine soziale Ungleichheit, sondern nur noch individuelles Versagen gibt: Wie es allein an den Einzelnen liegen soll, welchen Platz sie in der Gesellschaft einnehmen, soll es auch an den individuellen Frauen liegen, ob sie durch ihre Geschlechtszugehörigkeit beschränkt werden oder nicht.

Dieser nicht zuletzt innerhalb der feminis­tischen Bewegung selbst greifende Prozess der Entpolitisierung und Entsolidarisierung spiegelt sich denn auch keineswegs in einem anderen gesellschaftlichen Zustand, sondern in der Persis­tenz von altbekannten Realitäten – Realitäten, die der Behauptung eines historisch erfüllten Feminismus krass entgegenstehen: Von gleichem Lohn für gleiche Arbeit kann immer noch keine Rede sein; der Versuch, in den Chefetagen der großen Dax-Konzerne eine juristisch verbindliche Quote einzuführen, hat sich einstweilen als nicht durchsetzbar erwiesen; von einer Rückkehr in den Geist der 1950er Jahre gar zeugen die Informationen über Bordellreisen, die die Hamburg Mannheimer für verdiente Mitarbeiter organisiert hat, oder auch die Auskunft des Chefs eines großen deutschen Verlags, die ehemalige Chefin eines anderen großen deutschen Verlags käme als Nachfolgerin für seinen Job nicht infrage, weil ihr das mit zwei Kindern nicht zuzumuten sei. Postgender? Wohl kaum.

Angesichts einer diese Situation verstellenden Ideologie, die den Einzelnen Freiheit in genau dem Maße großzügig zuspricht, wie die Frage nach den sozialen Bedingungen von Freiheit verdrängt wird, ist an den politischen Einsatz des Feminismus zu erinnern. Der Feminismus exponiert die Frage der Geschlechterungleichheit als soziale Frage. Dass sich diese Frage nicht hinreichend im Blick auf das Geschlechterverhältnis allein stellen lässt, dass es des Bewusstseins um die Verschränkung von Fragen der Geschlechts­identität mit Klassenverhältnissen, Nationalitäten, Hautfarben und sexuellen Orientierungen bedarf, um das Problem der Ungleichbehandlung von Frauen differenziert zu erfassen, ändert nichts an der Notwendigkeit, heute an diesen Grundimpuls zu erinnern. Im Gegenteil: Eine solche Erinnerung scheint nicht zuletzt auch im Blick auf einige Bezirke der Gender Studies selbst nötig, die aus dem Umstand, dass um die jeweilige Fokussierung der Kategorie „Frau“ gestritten wird, auf deren Überflüssigkeit schließen (dieser Aspekt klingt in dem Beitrag von Pamela M. Lee an). Abgesehen davon, dass sich die aus diesem Kurzschluss resultierende Abwehr gegen die Kategorie „Frau“ nur zu gut mit der neoliberalen Ideologie des Postideologischen verträgt: Der Feminismus war und ist keine Institution zur Verteidigung dieser Kategorie – tatsächlich hat der Neoliberalismus das unfreie Moment an der Identifikation mit ihr durchaus richtig getroffen –, sondern eine Bewegung, die, wie alle sozialen Bewegungen, auf ihre Selbstaufhebung zielt, eben weil die für sie zentrale Kategorie (auf vielfältige Weise) für die unter ihr Gefassten faktisch mit Ungleichheit und also Unfreiheit verbunden ist. Gerade vor dem Hintergrund ihrer falschen (falsch postideo­logischen) Aufhebung aber geht es heute wie damals paradoxerweise darum, auf der Kategorie „Frau“ zu beharren – um sie loswerden zu können, denn das wäre allein unter den Bedingungen einer tatsächlich realisierten Gleichheit möglich.

Dass diese keineswegs schon gegeben ist, zeigt sich auf exemplarische Weise auf dem Feld der Kunst. So stellten sich, wie aus Lucy R. Lippards 1976 erschienenem Buch „From the Center: Feminist Essays on Women’s Art“ hervorgeht, politische Gleichheitsforderungen sowie der Versuch, diese auf die (Neu-)Bewertung ästhetischer Praxis und institutioneller Kunstgeschichte zu beziehen, bereits in der Hochphase der zweiten Frauenbewegung als überaus zäh und mühsam dar: Zielten solche Forderungen zum einen auf die Bewusstwerdung patriarchal-machistischer Ein- und Ausschlussmechanismen respektive auf hierarchisch-dualistische Darstellungstraditionen, bezweckten sie zum anderen die Aufwertung der gemeinhin weiblich codierten Reproduktionssphäre gegen­über der gemeinhin männlich codierten Produktionssphäre. Doch dort, wo es gelang, „Geschlecht“ als eine aus dem sozialhistorisch und psychoanalytisch informierten Kunstdiskurs nicht mehr wegzudenkende Analysekategorie zu etablieren, stellte sich diese bald schon als reduktionistisch und unzureichend hinsichtlich der Komplexität sozio-symbolischer Asymmetrien heraus. So wie der anfänglich klassenkämpferische Geist („Feminism shouldn’t be an interpretation of this world, but a transformation of it“) seinen konstitutiven Widerspruch erkennen musste, sollte eine zunehmend kulturwissenschaftlich ausgerichtete feministische Kunstgeschichte dazu übergehen, „Geschlecht“ in Relation zur Multiplizität und (Un-)Gleichzeitigkeit gesellschaftlicher Privilegierungs- und Diskriminierungserfahrungen zu sehen (siehe Elahe Haschemi Yekanis Beitrag). Die jüngeren Revisionen feministischer (Kunst-)Diskurse gehen inzwischen so weit, die klassischen Forderungen der Frauenbewegung in einen Zusammenhang mit der biopolitischen Abschöpfung der reproduktiven Sphäre zu sehen. Wie schließlich auch die im Heft versammelten Beiträge zeigen, hat die von Lucy Lippard vor 40 Jahren ausgegebene Devise, dass Feminismus immer zugleich auf Ästhetik und Politik bezogen werden muss, bis heute nicht an Geltung eingebüßt: Vielleicht mit dem Unterschied, dass die Frage der Ökonomie und des Kunstmarkts heute noch brennender erscheint als damals (siehe hierzu den Beitrag von Julia Voss).

Doch für Debatten außerhalb des Kunstbetriebs stellt sich ebenso die Frage nach der Aktualität feministischer Begriffe und Konzepte, wie sich am Beispiel des Falls Dominique Strauss-Kahn aufzeigen lässt (siehe den Beitrag von Marie-Luise Angerer). Dass überkommene Rollenbilder schließlich auch als Modelle zur Selbstermächtigung dienen können, macht Monika Rincks literarisch-essayistisches Statement zur Diva deutlich. „Kollision ist richtig“, so der kämpferische Tenor ihres Beitrags. Das gilt auch für den Feminismus, gestern, heute, morgen.

SABETH BUCHMANN / ISABELLE GRAW / JULIANE REBENTISCH