Vorwort
"Konkurrenz" scheint eine urwüchsige Sache zu sein. Konkurrenz formt ein großes Band, das trennt und vereinigt, sie steckt tief in der Logik der kapitalistischen Maschine, ist unzerstörbar, unaufhaltsam, unausweichlich. Eben darum wirkt das Thema übermächtig.
Zunächst lag es nahe, sich zu konzenüieren: auf die Revierkämpfe, auf die Statuskonflikte bei Künstlern und Theoretikern. Der Streit gilt dem Publikum, den Käufern und der Medienaufmerksamkeit. Wie Bedrohungen der eigenen Position abgewehrt, wie symbolisches Kapital eingesetzt, wie Definitionsmonopole eifersüchtig verteidigt werden, untersuchen an Einzelfällen Ulf Wuggenig (über Bourdieu und Danto) und Isabelle Graw (über Butler und Zižek). Die Konkurrenz Dilettantismus/Handwerk dominiert ein anderes Feld von Auseinandersetzungen. Der wachsende Einfluß Von Interdisziplinarität und cultural studies irritiert sowohl Kunsthistoriker als auch Künstler in ihrem Selbstverständnis als spezialisierte Vertreter einer Disziplin bzw. einer Tradition. Rosalind Krauss zieht die Notbremse. Ihr Manifest geht gegen den Verlust der Kunstfertigkeiten, während Georg Stanitzek gerade die Widersinnigkeiten des konservativen HandwerkCredos freilegt.
Hier kommt auch der Begriff „Norm" ins Spiel. Er spitzt das Konkurrenz-Thema zu. Einerseits den Gesetzmäßigkeiten der Konkurrenz unterworfen, wirkt die Produktion von Normen andererseits auf die Struktur der Konkurrenzen zurück. Normen regulieren den Wettbewerb um Ideen und Meinungen, sie geben Anhaltspunkte für Werturteile und soziale Anerkennungsprozesse. Ohne normativen Rückhalt ist man nicht wettbewerbsfähig. Überlegenheit in der Konkurrenz äußert sich im erfolgreichen Geltendmachen der Norm.
Aber gerade die Möglichkeit einer geltenden Norm läßt sich differenztheoretisch anfechten, Weil es immer mehr Positionen, 1 Identitäten und Institutionen gibt, die beanspruchen können, an der Normenproduktion mitzuwirken, verliert sich die Verbindlichkeit der einzelnen Norm in einem Gegeneinander konkurrierender Normen. (Selbst unter dem Vorbehalt, daß der Staat und seine Institutionen nach wie vor sehr wohl ihr Recht wahrnehmen, ,zwingende' Normen festzulegen, sind die Möglichkeiten einheitlicher Normsysteme eingeschränkt.)
Normative Setzungen haben inzwischen keine reellen Chancen mehr, dauerhafte Autorität zu erlangen. Trotz steigenden Orientierungsbedarfs ist die Bereitschaft bei Künstlern und Theoretikern, sich einem programmatisch formulierten Konsens zu unterwerfen, kaum vorhanden. Aus gutem Grund: die Vorteile einer De-Normativität sind nicht von der Hand zu weisen.
Verschiebungen in der Normativitätsstruktur vollziehen sich daher — auch im Kunstbereich — eher unmerklich. Zum Beispiel das angebliche Ende von Neokonzeptualismus und institutioneller Kritik: Plötzlich fiel die Absage an Arbeitsprinzipien, wie sie in diesem Heft von Andrea Fraser definiert, von Mark Dion vorgeführt werden, leicht. Ein internationaler Hedonismus, der sich zu einer globalen Ordnung von Spaßkunst, Techno-CrossOver und individuellen Mythologien entwikkelt hat, formierte sich schleichend zu einem neuen „Normalismus" (Jürgen Link) im kleinen — im triumphalen Verzicht auf Theorie und Politik. Diese Entwicklung läßt alle, die auf eben die Schwerpunkte beharren, die der augenblickliche Mainstream tatsächlich als zu schwer' denunziert, wie rigide Dogmatiker aussehen. Nach fünf Jahren und zwanzig Ausgaben können wir das aushalten.